Sowjetische Kriegsgefangene. Widerstand, Kollaboration, Erinnerung

Sowjetische Kriegsgefangene. Widerstand, Kollaboration, Erinnerung

Veranstalter
Staatliche Pädagogische Universität Nowosibirsk; Deutsches Historisches Institut Moskau; Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Veranstaltungsort
Ort
Novosibirsk
Land
Russian Federation
Vom - Bis
22.10.2018 - 23.10.2018
Website
Von
Hilger, Andreas

Die Geschichte sowjetischer Kriegsgefangener des Zweiten Weltkriegs ist bislang vor allem hinsichtlich der Maßnahmen und Ziele der deutschen sogenannten 'Gewahrsamsmacht' bzw., mit Blick auf den sowjetischen Umgang mit Überlebenden ab 1945, als Teil der stalinistischen Gewaltherrschaft untersucht und in entsprechende nationale Narrative und Diskussionen eingebettet worden. Die Konferenz will das Spektrum erweitern, indem sie auf Aktivitäten und Perspektiven der Gefangenen fokussiert. Im Spannungsfeld von Widerstand, Kollaboration und entsprechenden Nachkriegserinnerungen geht die Diskussion um Sichtweisen der Betroffenen, um mögliche Handlungsspielräume in den Zwangsgesellschaften der Lager und damit um Graustufen und Dynamiken in Handlungsweisen, Motivationslagen und Bewertungen.
Der Forschungsstand zu den sensiblen Themen ist bis heute lückenhaft und zersplittert, die öffentliche Wahrnehmung diffus oder von überkommenen vergangenheits- und erinnerungspolitischen Schablonen geprägt. Es fehlt bis heute an Untersuchungen, die die unterschiedlichen thematischen Zugriffe und damit relevante Erkenntnisse der einzelnen Forschungsfelder in einer differenzierten Gesamtanalyse zusammenführen.
Vor diesem Hintergrund will die Konferenz Anstöße geben, um die Bandbreite des Verhaltens von Gefangenen differenziert und in ihren möglichen Wandlungen zu erfassen. Sie bündelt aktuelle Forschungsstränge zur Gesamtproblematik und kann dadurch weitere Forschungslücken und -fragen definieren.
Widerstandshandlungen vermeintlicher Kollaborateure, notwendige Teilkooperationen zwischen widerständigen Gefangenen und offiziellen Lageradministrationen, Selbstdarstellungen von Gefangenen, die sich während der Gefangenschaft und danach substantiell veränderten - all dies stellt holzschnittartige Kategorisierungen und Bewertungen in Frage. In der genauen Rekonstruktion derartiger Unebenheiten werden zusätzliche Risse in der Lagergesellschaft, aber auch überraschende Allianzen zwischen Kollaborateuren, Widerständlern, und Passiven gegen die deutschen Bewacher, ihre Zumutungen und Übergriffe deutlich. Der Zugriff führt vor Augen, wie bedeutsam es ist, sich über genaue individuelle und gruppenweise Gefangenschaftsbiografien an das Gesamtthema anzunähern, da nur so die ganze Bandbreite von konkreten und wandelbaren Motivationen und Handlungen, Zielsetzungen und Auswirkungen erfasst sowie offizielle Zuschreibungen von deutscher oder sowjetischer Seite gültig hinterfragt und ausdifferenziert werden können.

Programm

22.Oktober 2018
9.00-9.30. Anmeldung der Konferenzteilnehmer
9.30-10.00. ERÖFFNUNG UND BEGRÜSSUNG

10.00-11.10. PANEL 1:
"VERSCHIEDENE FORMEN UND ASPEKTE
DER KOLLABORATION IN GEFANGENSCHAFT"
Moderation: Dr. Andreas Hilger
Prof. Dr. Jurij Arsamaskin (Militäruniversität des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation, Moskau).
"Ideologische Kämpfer oder Verräter? Kollaboration während des Großen Vaterländischen Krieges"
Prof. Dr. Oleg Romanko (V.I. Wernadskij Föderale Universität auf der Krim, Simferopol).
"Kollaboration als Thema in der Zeitung "Golos Krima" (Die Stimme der Krim)
Dr. Daniel Bißmann, (Deutsches Historisches Institut Moskau, Berlin)
"Sowjetische Kriegsgefangene und deutsche SD im "Unternehmen Zeppelin"

11.10-11.30. Kaffeepause

11.30 – 12.30. PANEL 2
"MENSCHEN UND SCHICKSALE"

Moderation: Prof. Dr. Natalja Markdorf
Prof. Dr. Jacek Młynarczyk (Nikolaus-Kopernikus-Universität Toruń). "Zwangsarbeitslager Trawniki"
Dr. Julia Landau (Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora). "Sowjetische Kriegsgefangene in Buchenwald: Schicksale und Erinnerungen"
Anita Ganzenmüller (Archiv der Gedenkstätte Buchenwald, Weimar)
"Widerstand der sowjetischen Kriegsgefangenen in Buchenwald"

12.30-14.00. Mittagspause

14.00-15.30: PANEL 3
"REPATRIIERUNG , FILTRATION.
STRAFVERFOLGUNG IN DER UDSSR"
Moderation: Dr. Heike Winkel
Prof. Dr. Arkadij German (Nationale Staatliche Forschungsuniversität Saratow).
"Verifikations- und Filtrationslager als Hauptelement des Mechanismus der Repatriierung sowjetischer Kriegsgefangener und anderer Bürger (Mitte und Ende der 1940er Jahre"
Dr. Immo Rebitschek (Justus-Liebig-Universität Gießen)
"Strafverfolgung und poststalinistische Revisionen"
Prof. Dr. Natalja Markdorf (Staatliche Pädagogische Universität Novosibirsk):
"Angehörige der Wlassow-Armee in Lagern und Sondersiedlungen in Sibirien: Menschen und Schicksale"
Jasmin Söhner, M.A. (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg).
"Ehemalige sowjetische Kriegsgefangene als Zeugen in westdeutschen Gerichtsverfahren 1964-1976"

15.30-15.45. Kaffeepause

15.45-17.15. DISKUSSION:
"SOWJETISCHE KRIEGSGEFANGENE:
DER MENSCH IM LAGER"
Moderation: Dr. Dmitri Stratievski

17.15 Empfang

23.Oktober 2018
10.00-11.20. PANEL 4
"WIDERSTAND UND ÜBERLEBEN IN GEFANGENSCHAFT"
Moderation: Prof. Dr. Natalja Markdorf
Dr. Rolf Keller (Abteilungsleiter Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, Celle).
"Sowjetische Kriegsgefangene und ihre Überlebensstrategien"
Jens Nagel (M.A.) (Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain).
"Kollaboration und Widerstand im Stalag Zeithain"
Dr. Olga Tschernobaj (Leiterin der Akquise- und Archivabteilung des staatlichen Archivs Oblast Nowosibirsk).
"Sowjetische Kriegsgefangene aus Nowosibirsk in Buchenwald: aus den Beständen des GANO (Staatsarchiv des Oblast Nowosibirsk)"
Dr. Natalja Ablashej (Institut für Geschichte der sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften)
"Armenische "Legionäre" im Exil im Altai-Gebirge"

11.20-11.30. Kaffepause
11.30-13.00. PODIUMSDISKUSSION
SOWJETISCHE KRIEGSGEFANGENE.
WIDERSTAND. KOLLABORATION. ERINNERUNG.
Moderation: Heike Winkel
Teilnehmende: Jürgen Zarusky, Julia Landau, Jens Nagel, Oleg Romanko.

13.00-14.00. Mittagspause
14.00-15.20. DOKUMENTARFILM "DER KRIEG UND DIE ANDERE WELT" im Rahmen des Projekts "Prisoners of War: Choice Between Fatherland and Freedom". Regie: Tigran Paskewitschjan, Satenik Faramasjan.

15.00-16.00. ANNAHME DER KONFERENZRESOLUTION UND ABSCHLUSS DER KONFERENZ.
Diskussion über internationale Kooperationsperspektiven im Rahmen des Projekts "Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg".
Moderation: Dr. Natalja Markdorf, Dr. Andreas Hilger

Kontakt

Andreas Hilger

Deutsches Historisches Institut Moskau

andreas.hilger@dhi-moskau.org


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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung